Entscheidungen im Sozialrecht

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass die Versorgung eines Multiple-Sklerose (MS)-Patienten mit einem Elektrorollstuhl nicht wegen Blindheit verweigert werden darf.

 

Das LSG Celle-Bremen hat entschieden, dass der Kfz-Freibetrag bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II auch dann nicht mehrfach beansprucht werden kann, wenn mehrere erwerbsfähige Familienmitglieder nur ein gemeinsames Auto haben.

Mütterrente

Das SG Berlin hat entschieden, dass keine Rentenerhöhung für die Erziehung eines behinderten Pflegekindes gewährt werden kann, das erst im Alter von 14 Monaten aufgenommen wurde, da die Mütterrente an eine strenge Stichtagsregelung gebunden ist und das Gesetz Ausnahmen für Härtefälle nicht vorsieht.

Am 01.07.2014 sind als Teil eines "Rentenpaketes" auch die Vorschriften zur Mütterrente in Kraft getreten. Sie gewähren unter bestimmten Voraussetzungen einen Rentenzuschlag für die Erziehung von vor 1992 geborenen Kindern. Damit begünstigen sie insbesondere die damals überwiegend mit der Erziehung befassten Mütter, indem sie deren erziehungsbedingte Einkommenseinbußen abmildern. AM SG Berlin wird derzeit in etwa 75 Fällen um die "Mütterrente" gestritten, Sozialgericht Berlin, Urteil vom 29.06.2015, S 17 R 473/15.

Anspruch eines Untersuchungsgefangenen auf Sehhilfe und Zahnersatz

Das SG Dortmund hat entschieden, dass Untersuchungshaftgefangene gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen einen Anspruch auf Sehhilfen und prothetische Zahnversorgung haben.

Ein seit Februar 2014 in der Justizvollzugsanstalt Hagen einsitzender Untersuchungshäftling hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Antrag gestellt, die Stadt Hagen zu verpflichten, die Kosten für seine Versorgung mit neuen Sehhilfen und den Ersatz eines abgebrochenen Stiftzahnes als Sozialhilfeleistung zu übernehmen.

Nach Auffassung des Sozialgerichts steht dem Antragsteller ein diesbezüglich vorrangiger Krankenbehandlungsanspruch gegenüber dem Land NRW nach Maßgabe des § 25 des Untersuchungshaftvollzugsgesetzes NRW zu. Jedenfalls soweit die Untersuchungshaft wie hier länger dauere, seien auch zahnprothetische Leistungen und Sehhilfen in der Haft zu erbringen. Nachrangig zu gewährende Sozialhilfeleistungen kämen deshalb nicht in Betracht, S 41 SO 318/14 ER.

Das SG Mainz hat entschieden, dass Glückspielgewinne im Rahmen des Bezugs von Arbeitslosengeld II zu berücksichtigen sind, jedoch dahingehend rechtsfehlerhaft erlassene Bescheide nur unter engen Voraussetzungen aufgehoben werden können.

Die Kläger standen im Leistungsbezug des Jobcenters, als sie im Herbst 2008 an einem Glücksspiel teilnahmen und einen Neuwagen gewannen. Obwohl das Jobcenter hiervon Kenntnis hatte, wurden den Klägern Leistungen für den nächsten Bewilligungszeitraum bewilligt, ohne hierbei den Gewinn zu berücksichtigen. Einige Zeit später zeigten die Kläger an, dass sie das Fahrzeug zu einem Preis von 7.800 Euro verkauft hatten. Erst daraufhin hob das Jobcenter den bereits erteilten Bewilligungsbescheid teilweise auf und verlangte von den Klägern die Rückerstattung von Leistungen i.H.v. insgesamt 5.670 Euro. Zur Begründung wurde angegeben, dass der Verkaufserlös Einkommen im Sinne des SGB II sei. Dieses sei zu berücksichtigen und mindere den Anspruch auf Arbeitslosengeld II, selbst wenn die Kläger mit dem Kaufpreis offene Schulden getilgt hätten. Gegen den Aufhebungsbescheid richtete sich die Klage.

Nach einer Entscheidung des BSG existiert keine Rechtsgrundlage für eine allgemeine Bagatellgrenze von 10% des Regelbedarfs für die Kosten des Umgangsrecht mit einem Kind.

Den Antrag des Klägers, der Arbeitslosengeld II bezog, auf einen solchen Mehrbedarf im Juli 2010 wegen der Ausübung des Umgangsrechts (alle zwei Wochen) mit seiner im Jahr 2006 geborenen, aber nicht bei ihm, sondern in 17 km Entfernung bei ihrer Mutter lebenden Tochter, lehnte das beklagte Jobcenter ab. Es meinte, bei einer Entfernung von 17 km und jeweils zweimaliger Hin- und Rückfahrt mit dem PKW sowie einer Pauschale von 0,20 Euro je Entfernungskilometer ergebe sich nur ein Betrag von 13,60 Euro im Monat, der unter einer Bagatellgrenze von 10% des Regelbedarfs – damals 359 Euro – liege.
Vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht war der Kläger erfolgreich, sie haben ihm 27,20 Euro pro Monat bei einer Pauschale von 0,20 Euro pro Kilometer zugesprochen.

Absetzbarkeit von Leasingraten bei selbständigen SGB II-Austockern

Das BSG hat entschieden, dass ein "SGB II-Aufstocker" auch notwendige Leasingraten für einen Pkw von seinem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit absetzen kann.

Bei sogenannten "Aufstockern", die neben den SGB II-Leistungen Betriebseinnahmen aus einer selbstständigen Tätigkeit erzielen, sind – neben dem auch für abhängig Beschäftigte geltenden Pauschbetrag in Höhe von 100 Euro für Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen, Altersvorsorgebeträgen und die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Aufwendungen – nach Auffassung des BSG von den Einnahmen zusätzlich auch Betriebsausgaben abzusetzen. Dies gelte auch dann, wenn das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit den Betrag von 400 Euro nicht übersteigt. Aus § 3 Abs 1 Satz 1 Alg II-V ("mit Ausnahme der nach § 11 Abs. 2 SGB II abzusetzenden Beträge") ergebe sich, dass es nicht zu einer zweifachen Absetzbarkeit von Betriebsausgaben kommt, BSG Urteil vom 05.06.2014,  B 4 AS 31/13 R.

Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts ist für die Frage, ob die Verwertung einer Lebensversicherung zumutbar ist, nicht allein auf die Höhe des Verlustes bei vorzeitiger Auflösung abzustellen. Das Landessozialgericht hatte festgestellt, dass der Verlust für die Klägerin bei Auflösung des Versicherung lediglich 16,7 % betrage und zumutbar sei.

Keine zeitliche Grenze für Nachhilfe

Nach einer Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund dürfen Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form der Kostenübernahme von Nachhilfekosten nicht von vornherein auf die Dauer von zwei Monaten begrenzt werden, sofern der konkrete Föderbedarf des Kindes eine längere Nachhilfe erfordert. Eine zeitliche Grenze ergebe sich aus den gesetzlichen Vorgaben nicht. Die vom JobCenter vorgenommene pauschale Begrenzung stehe der durch das Bundesverfassungsgericht angemahnten Verwirklichung von Chancengleichheit für Kinder von langzeitarbeitslosen Eltern entgegen; Urteil vom 20.12.2013, S 19 AS 1036/12.

Das Sozialgericht Heilbronn hat rechtskräftig entschieden, dass ein Sozialhilfeträger weder zusätzliche Beerdigungskosten für ein mehr als 1.000,00 € teureres Wahl- statt Reihengrab noch für einen "Leichenschmaus" übernehmen muss.