Entscheidungen im Familienrecht
Bei finanziell leistungsfähigen Großeltern keine gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern für ihre Kinder
Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte zu klären, ob die sog. gesteigerte Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern auch dann besteht, wenn finanziell leistungsfähige Großeltern vorhanden sind. Diese Frage ist u.a. dafür von Bedeutung, ob ein erwerbstätiger Elternteil für den Kindesunterhalt sein oberhalb des sog. notwendigen Selbstbehalts (derzeit 1.160 €) liegendes Einkommen einzusetzen hat oder lediglich das Einkommen oberhalb seines sog. angemessenen Selbstbehalts (derzeit 1.400 €).
Wohnwertvorteil und Kindesunterhalt
Steht eine vom Unterhaltspflichtigen bewohnte Immobilie in seinem Alleineigentum, ist ihm unbeschadet etwaiger Unterhaltsansprüche Dritter grundsätzlich der gesamte Wohnwert zuzurechnen. Das gilt auch dann, wenn die neue Ehefrau des Unterhaltspflichtigen mit in dem Eigenheim lebt. Zum einen ist ihr Unterhaltsanspruch gegenüber dem hier in Rede stehenden Unterhaltsanspruch des minderjährigen Kindes gemäß § 1609 BGB nachrangig. Zum anderen ändert die Wohnungsüberlassung an die Ehefrau nichts daran, dass der Unterhaltspflichtige als Alleineigentümer das alleinige Nutzungsrecht an der Immobilie hat und grundsätzlich zur Verwertung des Eigenheims verpflichtet und in der Lage ist. Dem Umstand, dass er damit seiner (Familien-)Unterhaltsverpflichtung nachkommt, wird nicht zuletzt dadurch Rechnung getragen, dass dies bei der Einordnung in der jeweiligen Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle berücksichtigt wird (BGH, Beschluss vom 21.10.2020, XII ZB 201/19).
Nutzung einer inm Miteigentum stehenden Immobilie
Nutzt ein Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit Duldung des anderen das im hälftigen Miteigentum beider stehende Haus nach der Trennung weiterhin und trägt wie bisher die Lasten, ohne zu erkennen zu geben, einen hälftigen Ausgleich geltend machen zu wollen und ohne dass der andere Partner ihm ein Nutzungsentgelt abverlangt, so ist ein Ausgleichsanspruch in Höhe des hälftigen Nutzungswertes des Anwesens beschränkt, BGH, Urteil vom 11.07.2018, XII ZR 108/17.
Umgangskosten und Kindesunterhalt
Die Herabgruppierung eines Unterhaltsschuldners innerhalb der Düsseldorfer Tabelle wegen Umgangskosten kommt erst in Betracht, wenn und soweit sich ein weit über das übliche Maß hinausgehender Umgang nach seiner konkreten Ausgestaltung bereits weitgehend einer Mitbetreuung annähert.
Gerichtliche Zuständigkeit in Unterhaltssachen
Der EuGH hat entschieden, dass das mit der Entscheidung über die elterliche Verantwortung befasste Gericht auch für die Entscheidung über die Unterhaltspflicht eines Elternteils für seine minderjährigen Kinder zuständig ist.
Dies gelte auch dann, wenn über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes von einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats entschieden werde, so der EuGH.
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Kein Auskunftsanspruch des Scheinvaters über Geschlechtsleben der Mutter
Das BVerfG hat entschieden, dass die Mutter eines sogenannten Kuckuckskindes nicht verpflichtet ist, den Namen des leiblichen Vaters zu nennen.
Das BVerfG hat der Verfassungsbeschwerde der Mutter stattgegeben und den Beschluss des OLG Schleswig, durch den die Beschwerdeführerin im Ausgangsverfahren zur Auskunftserteilung verpflichtet worden war, aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Nach Auffassung des BVerfG stellt die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Unterhaltsregressanspruchs des sogenannten Scheinvaters geschlechtliche Beziehungen zu bestimmten Personen preiszugeben, eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dafür bedürfe es einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht, an der es fehlt, BVerfG, 24.02.2015, 1 BvR 472/14.
Verfahrenskostenhilfe / Hartz IV
Die Vorlage eines Ausweises über den Bezug von SGB II-Leistungen kann einzelne Angaben des antragstellenden Beteiligten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, nicht jedoch die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ersetzen.
Der Verfahrenskostenhilfe-Antragsteller muss deshalb eine vollständig ausgefüllte und belegte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einreichen, § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO (§ 76 Abs. 1 FamFG), anderenfalls Versagung droht, OLG Jena, Beschluss vom 09.01.2015, 1 WF 624/14
Entzug der elterlichen Sorge
Die Sorgerechtsentziehung setzt nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes eingehende Festellungen zur Kindeswohlgefährdung voraus.
Mit entsprechendem Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Entziehung der elterlichen Sorge bekräftigt. Um eine Trennung des Kindes von den Eltern zu rechtfertigen, müssen die Fachgerichte im Einzelfall feststellen, dass das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet wäre. Stützen sich die Gerichte dabei auf Feststellungen in einem Sachverständigengutachten, dessen Verwertbarkeit verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt, können diese auf die gerichtliche Entscheidung durchschlagen, wenn die Gerichte die Zweifel nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise beseitigen. Aus diesen Gründen hat die Kammer eine Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen, Beschluss vom 19. November 2014, 1 BvR 1178/14.
Exhumierung zur Feststellung der Vaterschaft
Der u.a. für das Familienrechtrecht zuständige XII. Zivilsenat hat entschieden, dass das postmortale Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen im Falle einer für die Feststellung der Vaterschaft erforderlichen DNA-Untersuchung und einer damit einhergehenden Exhumierung regelmäßig hinter das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung zurücktritt, XII ZB 20/14 - Beschluss vom 29. Oktober 2014.
Einstellung lebenserhaltender Maßnahmen
Der für Betreuungssachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen das Betreuungsgericht den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen genehmigen muss.
Nach § 1904 Abs. 2 BGB bedarf die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers in eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn die Maßnahme medizinisch angezeigt ist und die begründete Gefahr besteht, dass der Betroffene auf Grund des Unterbleibens bzw. des Abbruchs der lebenserhaltenden Maßnahme stirbt. Eine solche betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1904 Abs. 2 BGB ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn der Betroffene einen entsprechenden eigenen Willen bereits in einer bindenden Patientenverfügung nach § 1901 a Abs. 1 BGB niedergelegt hat und diese auf die konkret eingetretene Lebens- und Behandlungssituation zutrifft. Liegt dagegen keine wirksame Patientenverfügung vor, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen (§ 1901 a Abs. 2 BGB). Die hierauf beruhende Entscheidung des Betreuers bedarf dann nicht der betreuungsgerichtlichen Genehmigung, wenn zwischen ihm und dem behandelnden Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem festgestellten Willen des Betroffenen entspricht (§ 1904 Abs. 4 BGB).